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Radio C - Kultur und Wissenschaft in Bonn
Radio
C
November 2003
Fr. 21.11.2003 21.00 Radio Bonn/SU
Moderation/Technik: Florian Höfer
Redaktion/Studiogast: Jürgen Lütz
Radio C, Kultur und Wissenschaft in Bonn, eine Produktionsgruppe der Radio-Werkstatt-Lora
in Bonn-Beuel, stellt Ihnen die interessantesten neuen Kino Filme vor,
die in den nächsten Wochen in den Bonner Kinos laufen.
1. Musik "Yin yang" Jarabe de Palo Album: Bonito
Nachrichten aus den Kinosälen:
Noch hoch in der Gunst der Bonner Kinobesucher
Herr Lehmann
von Leander Hausmann nach dem Roman des Element of Crime-Sängers
Sven Regener.
Nach SONNENALLEE der neue Film von Leander Haußmann.
West-Berlin 1989 kurz vor dem Mauerfall. Kreuzberg SO 36, Zufluchtsort
für Wehrdienstverweigerer, Lebenskünstler und Philosophen. Hier
ist Frank, den alle nur Herr Lehmann nennen, weil er schon auf die dreißig
zu geht, der König in seinem kleinen Universum. Wenn Herr Lehmann
nicht hinter der Theke steht, um die Menschheit mit Nachschub zu versorgen,
steht er mit seinen Freunden vor der Theke und findet das eigentlich alles
ganz in Ordnung.
Bis er Kathrin kennen lernt, seine Eltern ihren Besuch in Berlin ankündigen
und sein Freund Karl, Super Karl (großartig Detlef Buck) nicht mehr
schläft.
Das Wunder von Bern von Sönke Wortmann
Nach 'Kleine Haie' und 'Der Bewegte Mann' der neue Film von Sönke
Wortmann. Ein Filmwunder. 'Das Wunder von Bern' erzählt aus der Sicht
des kleinen Matthias (Louis Klamroth) vom Leben der 'Rumpf'-Familie Lubanski
in Essen, die sich mit Mühe und Not im Nachkriegsdeutschland durchschlägt.
Vater-Lubanski (Peter Lohmeyer) ist noch in Kriegsgefangenschaft. Als
das Familienoberhaupt eines Tages doch noch aus der Gefangenschaft zurückkehrt,
ist er zunächst ein Fremdkörper, der den bis dato reibungslosen
Ablauf des Familien Lebens stört. Die Zeiten haben sich geändert,
seine Frau ist die Chefin der Familie und auch bei seinen mühsamen
versuchen an sein Vorkriegsleben anzuknüpfen merken Lubanski und
seine Familie wie tief ihn der Krieg gezeichnet hat. Vor allem zu seinem
in seiner Abwesenheit geborenen Sohn Matthias baut sich nur sehr zögerlich
eine Beziehung auf.
Erst die Erfolge der deutschen Nationalmannschaft bei der Fussballweltmeisterschaft
1954 in der Schweiz beginnen das verstockte Verhältnis allmählich
zu lösen. "Das Wunder von Bern" ist ein beeindruckender
Film über die unmittelbare Nachkriegszeit und ein bewegender deutscher
Familien Film.
Neu in den Kinos:
7 Brüder von Sebastian Winkels ab 13.11. im Kino
Dokumentarfilm von Sebastian Winkels über das Schicksal einer Ruhrgebiets
Familie von den 30er Jahren bis heute - ein packendes Stück Zeitgeschichte.
Nach "Sein und Haben" ein weiteres Beispiel dafür, wie
fesselnd und anregend Dokumentarfilme sein können.
Sieben Brüder, geboren in Mühlheim an der Ruhr zwischen 1929
und 1945. In der magischen Stille eines dunklen Filmstudios verweben sich
ihre Erzählungen zum faszinierenden Familienuniversum, in dem sich
deutsche Geschichte auf außergewöhnliche Weise spiegelt. Ein
dokumentarisches Ereignis, das die Zuschauer gleichsam zum Teil der Erzählung
werden lässt. 7 Brüder ist Erzählkino im besten Sinne:
ein Märchen aus der Wirklichkeit, spannend, unterhaltsam, aufrichtig
und nachhaltig beglückend.
L'auberge espagnol von Cederic Klapisch ab 13.11. in den Bonner Kinos
Ein Film wie Ferien: Regisseur Cedric Klapisch (Und jeder sucht sein Kätzchen)
schickt einen Pariser Wirtschaftsstudenten für ein Erasmus-Jahr in
eine gesamteuropäische und multilinguale Wohngemeinschaft nach Barcelona.
Eigentlich will Xavier nur sein Spanisch aufbessern, um dann den von seinem
Vater organisierten Bürojob antreten zu können. Dann aber zieht
ihn eine fröhlichturbulente Wohngemeinschaft, in der Engländer,
Deutsche, Dänen, Italiener und Spanier zusammen wohnen, feiern und
lieben in ihren Bann.
Welch eine Wohltat, dass dieses kunterbunte Sprachengemisch nicht vollständig
synchronisiert worden ist. Lediglich das Französisch der Hauptfigur
ist verdeutscht. Und so wird man Zeuge wie die WG mit den kuriosesten
Akzenten Englisch ‚radebrecht' wie im richtigen Leben.
Mit Romain Duris (Gadjo Dillo); Audrey Tautou (Amelie ...), Barnaby Metschurat
(Solino) und vielen anderen.
2. Musik: "Canturi la Notti" von Cecilia Pilino Compilation:
Sicilia Nuovo
Kops von Josef Fares ab 13.11. in den Kinos
In der kleinen schwedischen Stadt Högsboträsk gibt es seit vielen
Jahren keine Kriminalität mehr. Die vier Polizisten Jacob, Benny,
Agneta und Lasse sind daher in ihrer Dienstzeit vorwiegend mit Kaffeetrinken,
kleinen Zwischenmahlzeiten, viel Palaver und noch mehr Kaffeetrinken beschäftigt.
Nach einer Inspektion beschließt die Kreisverwaltung die lokale
Polizeistation zu schließen - und plötzlich häufen sich
die Delikte. Der Dorf Obdachlose kann mittels einer Flasche Schnaps zu
einem Ladendiebstahl überredet werden. Auf einmal verunzieren Graffitis
die Idylle und aus dem Wald verschrecken Schüsse und Schreie die
braven Bürger. Natürlich beginnen die lokalen Polizisten sofort
hochmotiviert zu ermitteln, denn schließlich geht es um ihrer Existenz.
Als dann bei einer von den Polizisten vorgetäuschten Entführung
ein Ermittlungsteam aus der Hauptstadt auftaucht, droht der ganze Schwindel
zu platzen.
Nach seinem grandiosen Überraschungs-Coup mit der
Multikulti-Comedy "Jalla! Jalla!" präsentiert der in Schweden
lebende Libanese Josef Fares nun seinen zweiten Kinostreich.
Wiederum ist ihm eine freche Komödie der charmant lakonischen Art
gelungen.
Lilya 4-ever von Lukas Moodysson ab 04.12. in den Kinos
Mit "Raus aus Amal" und "Zusammen!" sind dem schwedischen
Regisseur Lukas Moodysson gleich zwei große Würfe
hintereinander gelungen. Authentizität hieß in beiden Fällen
das
große Plus. Und mit der trumpft der 1969 in Malmö geborene
Filmemacher nun auch in seinem neuen Drama "Lilya 4-ever" auf.
Erzählt werden drei Monate im trostlosen Leben der 16-jährigen
Russin Lilya, die Schweden für das gelobte Land hält, dort aber
endgültig den Lebensmut verliert.
Als Lilya von ihrer in die USA
ausgewanderten Mutter sitzen gelassen wird, muss sie aus der mütterlichen
Wohnung in ein Rattenloch umziehen. Obwohl angeekelt von ihr, sieht sie
in der Prostitution ihre einzige Chance, um an Geld zum Überleben
zu
kommen. Hoffnung schöpft sie, als sie einen jungen Russen kennen
lernt.
Der verspricht ihr ein neues Leben nebst Job in Schweden. Einen neuen
Pass hat er auch gleich zur Hand, damit es bei der Ausreise wegen Lilyas
Alter keine Schwierigkeiten an der Grenze gebe. Wegen einer
dringenden Familienangelegenheit kann er dann aber doch nicht
mitfliegen, in ein paar Tagen will er aber nachkommen,
derweil wird sich der neue Chef um alles kümmern. Das tut der dann
auch. Kaum in Malmö angekommen wird Lilya brutal eingesperrt, und
nur noch
herausgelassen, wenn sich ein Käufer für sie findet.
Lilya 4-ever ist ein deprimierender und dennoch tief beeindruckender Film
Der auf der russischen Seite eine zunächst sozial und später
auch moralisch völlig ausgeblutet Gesellschaft zeigt, gleichzeitig
aber auch, das dieses Elend durch den Mädchenhandel längst seine
Brückenköpfe in den europäischen Gesellschaften gefunden
hat.
Lilya 4-ever wird den Blick des Zuschauers auf Russland und Europa verändern.
3. Musik: "Romance" Beth Gibbons & Rustin Man Album: Out of
season
"In America" von Jim Sheridan ab 11.12. im Kino
Mit viel Gefühl und Poesie erzählt Jim Sheridan (Mein linker
Fuß, Im Namen des Vaters) von einer irischen Familie, die in den
80er Jahren nach Amerika kommt, um ihre in der Vergangenheit liegenden
Probleme zu bewältigen. Aus Sicht der beiden halbwüchsigen Mädchen
wird diese halbautobiographische Geschichte mit viel Humor erzählt
und mit einer darstellerischen Leistung gespielt, der man sich kaum entziehen
kann.
Wie es sich für Einwanderer gehört beginnt das Leben in der
neuen Welt in einem der heruntergekommensten Stadtteile New Yorks der
auch einem Schauerroman herrliche Kulissen bieten würde.
Aber der Blickwinkel der Kinder führt den Zuschauer mit einer ordentlichen
Portion Neugier und Humor durch den Film. Natürlich spuken in diesen
Kinderköpfen die Ängste der Erwachsenen in Form von Geschichten
und Märchen herum und sorgen dafür, dass den Kindern das neue
Heim wie ein dunkler Zauberwald mit merkwürdigen Bewohnern vorkommt.
Doch mit ihrer grenzenlosen Neugier und Cleverness, machen sich das neue
Terrain untertan und finden neue Freunde, die Hilfe und Halt geben
können. "In America" von Jim Sheridan ist ein schöner
Familienfilm, ideal für vorweihnachtliche Stimmungen.
"Balzac und die kleine chinesische Schneiderin" von Dai Sijie
Premiere am 15.12. im Rex-Lichtspieltheater Bonn.
"Balzac und die kleine chinesische Schneiderin" spielt vor einer
phantastischen chinesischen Landschaftskulisse und ist eine poetische
und bewegende Dreiecksgeschichte, die ihren großen Nachhall aus
der Frage zieht, welche Rolle Literatur für unser Leben spielt.
Durch das Nacherzählen von Filmen und Romanen gewinnen zwei junge
Männer das Herz einer jungen Frau ohne zu ahnen, welche Veränderungen
sie damit herbeiführen.
China 1971, Maos Kulturrevolution hat schon einiges an Schärfe verloren.
Die Universitäten sind noch geschlossen. Nach Abschluss der Oberschule
werden der 17jährige Ma und der 18jährige Luo wie viele andere
junge Städter zur Umerziehung durch die revolutionären Bauern
aufs Land geschickt. Nach einiger Zeit harter Feldarbeit gibt ihnen der
Dorfvorsteher den Auftrag, sich in der Kreisstadt einen Film anzusehen
um ihn anschließend den Dorfbewohnern zu erzählen. Die erzählte
Filmvorführung wird ein voller Erfolg, auch im Nachbarort hört
man davon. Dort verlieben sich die beiden in die Enkelin des alten Schneiders,
die immer neue Geschichten von ihnen hören will. Woher aber immer
neue Geschichten nehmen, wenn alle literarischen Bücher verboten
sind?
Autor Dai Sijie hat seinen eigenen international erfolgreichen Roman selbst
verfilmt.
"Balzac und die kleine chinesische Schneiderin" ist eine poetische
und bewegende Dreiecksgeschichte, die ihren großen Nachhall aus
der Frage zieht, welche Rolle Literatur für unser Leben spielt.
Gleichzeitig aber ist Dai Sijies Film die kongeniale Umsetzung und Erweiterung
seines eigenen satirischen und autobiographischen Schelmenromans.
Mit allerlei Tricks und einem Bücherkoffer voller fremder Welten,
haben es sich die beiden jungen Männer Luo und Ma in ihrer Verbannung
von unbestimmter Dauer so behaglich wie möglich eingerichtet.
Es wird die prägendste Zeit in ihrem Leben. Denn gerade weil sie
gegen das Verbot westlicher Kultur des Großen Vorsitzenden Mao verstoßen,
finden sie in der Kleinen Schneiderin die Liebe ihres Lebens, und verlieren
sie auch sogleich wieder, weil sie durch ihren eigenen Kultureinfluss
zur Emanzipation der jungen Frau beitragen.
Durch die Lektüre von Balzacs Romanen entdeckt die ‚namenlose' Kleine
Schneiderin ihr Selbstwertgefühl als Frau: dass die Schönheit
einer Frau ein unbezahlbarer Schatz ist. Sie beschließt, ihr Dorf
zu verlassen und in die Stadt zu gehen, in der Hoffnung, dass ihr dort
als Frau eine Wertschätzung zu Teil wird, wie sie sie in den Romanen
Balzacs aufscheinen sieht.
Für die Verfilmung seines eigenen Romans hat Dai Sijie vor allem
den Schluss seines Romans erweitert und in die Gegenwart verlängert,
was auch seinen zahlreichen Lesern neue Denkanstöße bietet.
Indem er Ma aus dem französischen Exil auf der Suche nach der Kleinen
Schneiderin nach China an den Phönix-des-Himmels zurückkehren
lässt, bereichert er seinen Film gegenüber dem Roman um melodramatische
Aspekte.
Durch die Bezugnahme auf das chinesische Drei-Schluchten-Staudamm-Projekt
beschwört Dai Sijie mit der Überflutung (dem Untergang) seiner
eigenen Erinnerungslandschaft die Unaufhaltbarkeit menschlicher Kultur,
deren Wesen gerade in ihrem Wandel besteht.
4. Musik "Here to stay" von New Order Soundtrack "24 Hour
Party People"
In ihrem Radio hören Sie uns wieder in genau einem Monat
am Freitag, 19. Dezember, zur gleichen Zeit.
5. Musik "Swann" Maga Abum: "Limbo Star"
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